Filmemachen am Rande der Realität
Berlin ist mit seiner langen Tradition von Studios und filmtechnischen Betrieben nicht nur eine der ältesten Filmlandschaften der Welt, sondern auch schon immer ein Schmelztiegel und das Eldorado einer unabhängig vom mainstream wirkenden Filmkultur gewesen. Insbesondere während der 40-jährigen Teilung der Stadt entwickelte sich hier -sozusagen an den Rändern der großen politischen Blöcke- eine Filmscene, die teils durch Widerstand, teils durch ungebundene Experimentier- und Spielfreude gekennzeichnet war. Das so entstandene filmische Wildwuchs-Biotop treibt auch heute noch seine bunten Kino-Blüten und liefert den Nährboden für seltene Film-Spezien.
Der Workshop wird einen kurzen Überblick über die allgemeine Situation des experimentellen Filmschaffens in Deutschland geben. Ein Schwerpunkt wird dabei auf das Queer Cinema und schwule Kurzfilme gelegt. Von den verschiedenen Produktionsbedingungen und Arbeitsweisen bis hin zur vielfältigen Situation des Abspiels in Filminitiativen und Festivals soll so ein Panorama des 'persönlichen Films' in Deutschland und Berlin entstehen. Gezeigt werden viele, sehr unterschiedliche Beispiele unabhängig arbeitender FilmemacherInnen 'on the edge'.
Schon mit den Formaten Super8, Hi8-video und miniDV konnten die unabhängigen Filmemacher über eigene, freie Produktionsmittel verfügen. Die Inhalte der Filme und Videos entwickelten sich entsprechend freizügig, tabulos und von institutioneller Seite unkontrolliert. Zunehmend öffnen sich auch die etablierten Distributionswege (wie Kommunale Kinos, Internationale Festivals und sogar einzelne TV-Redaktionen) diesen freien Formen des Filmemachens und den so produzierten, neuen Bildern.
In einem zweiten Teil des Workshops werden einige Perspektiven und Ausblicke auf die Möglichkeiten des Experimentalfilms in den 'Neuen Medien' eröffnet. Hier wird unter anderem auch die vielbeachtete CD-ROM 'NETC.ETERA' von Michael Brynntrup vorgestellt ("eine gewitzte Hypertext-Collage" - tip-magazin, "Bewertung: sehr gut" - mac life journal). Abschließend werden noch einige Filmprojekte gezeigt, die eigens für das Internet entwickelt wurden. Es wird untersucht, inwieweit das Internet in Zukunft als unabhängiger Distributionskanal für experimentellen Film genutzt werden kann.
(MB, Pressetext zum Workshop, Mai 2004)