Interview | interview

Interview zur Ausstellung »Herzsofort.Setzung«
von Claus Hanischdörfer, TV-Sendung vom 04.01.96


Claus Hanischdörfer:
Ok., erste Frage zu dem Projekt »Herzsofort.Setzung«. Erklär' mal, was hat es damit auf sich?

MB:
Ja, - ich hatte mal ein Polaroid von mir gemacht und das hatte ich -ohne größere Absichten- übermalt, wie man das so macht, womöglich beim Telefonieren. Und weil es mir gefiel, hab' ich's an die Wand gehängt.
Zwei Jahre später hatte ich dann die Möglichkeit, einen Katalog zu drucken, und bei der Vorbereitung für den Druck habe ich die Idee bekommen..., oder überhaupt bemerkt, daß da nach und nach Generationen entstehen. Das Polaroid wird eingescant, durchläuft im Computer diverse Bearbeitungsprogramme, der Drucker fertigt seine Offset-Platten an, macht Probedrucke, usw., usw. Also ich hatte einerseits dieses spontane Sofortbild-Original und mußte andererseits feststellen, daß bis zu seiner originalgetreuen Reproduktion viele Zwischen-Generationen entstanden, die ja auch immer das Original repräsentierten, aber auch immer wieder veränderten.
Und dann hab' ich gedacht, diesen Prozess, diesen Veränderungsprozess mach' ich jetzt zu Kunst. Also ich hatte den Gedanken: bei jeder Reproduktion entsteht immer wieder ein Original, was ja in dieser Erscheinung ganz einmalig ist. Wobei natürlich ganz unerheblich ist, wie oft das z.B. gedruckt wird. Entscheidend ist, daß es anders aussieht als das quasi vorherige Original. Weil ja eben die Reproduktionsmedien immer noch das Ihrige dazutun.
Ja und dann habe ich angefangen viele, viele solcher Generationen anzufertigen, immer wieder eine neue Generation von der vorherigen zu machen, und dann davon wieder eine, undsoweiter undsofort. Schließlich habe ich auch noch darauf geachtet, möglichst viele verschiedene Medien, die es ja gibt, also verschiedene Reproduktionsmedien zu verwenden. Vor allem Medien, die einem ja inzwischen in jedem Haushalt zur Verfügung stehen, also sprich: Video, Super8 oder Dia-Film, Kleinbild-Negativ, etc. Also ich habe viele verschiedene Generationen, eine Generationenfolge, in vielen verschiedenen Medien hergestellt. Und so ist dann diese Serie hier entstanden.

Claus Hanischdörfer:
Zelebriert sich da die Kunst nicht auch ein bißchen selbst? Also es gibt irgendwo einen Auftakt und dann wird's reproduziert. Provozierend gefragt.

MB:
Kunst zelebriert sich selbst - ja. Aber das, das tut sie ja sowieso, das ist ja Kunst. Daß sie eben etwas herstellt, produziert, einen Schlußpunkt setzt und sagt: das isses. Also ...

Claus Hanischdörfer:
Gibt's bei dem Projekt schon einen Schlußpunkt oder wird das immer weitergehen? Es kann ja eigentlich unendlich weitergehen?

MB:
Ja, ja, kann's auch, genau. Und soll's eigentlich auch. Und wird es auch. Also ich habe an dieser Serie -sagen wir mal- zwei Jahre gearbeitet. Also immer gewartet, bis z.B. der Film entwickelt war und dann gleich weitergearbeitet und das hat für diese 56 Generationen zwei Jahre gedauert. Und diese Serie hatte für mich jetzt auch ein Ende, also ich habe für diese Ausstellung auf eine runde Sache hingearbeitet. Das fängt an mit einem Polaroid, hört auf mit einem Polaroid. Trotzdem denke ich, daß das noch weitergeht, daß ich das jetzt aber nicht mehr so intensiv betreibe, sondern so -sagen wir mal- einmal im Jahr werde ich dann mit einer oder ein paar Generationen weitermachen.

Claus Hanischdörfer:
Gibt's für dich ein bestimmtes Lieblingsmedium? Also hier, das sind jetzt Standbilder quasi: Fotokopie, Fotografie, Reprografie. Dann machst du ja auch Filme. Was ist dir denn da lieber? Gibt's da ein Lieblingsmedium?

MB:
Eigentlich nicht. Weil, was ich ja liebe ist die Eigenart am Medium. Jedes Medium hat so seine spezifischen Eigenarten, also hat so ganz spezielle Potenzen. Ob das Polaroid ist, die werden ein bißchen blaß und milchig oder Fotokopie, die wird dann meist sehr knackig, kontrastreich. Film, Video. Also: Jedes Medium hat so seine speziellen Möglichkeiten und Eigenarten und darum mag ich in vielen Medien arbeiten, weil alles hat sein Spezielles, Besonderes.

(Claus Hanischdörfer, Interview zur Ausstellung »Herzsofort.Setzung«,
Filmwinter Stuttgart im Künstlerhaus Stuttgart, Januar 1996,
Ausschnitte in: SAT.1 Regionalreport Baden-Württemberg, TV-Sendung vom 04.01.96)

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monografischer Artikel | monographic review
Alice A. Kuzniar, Virtual Selves and Prosthetic Genders, excerpt on »Heart.Instant(iation)«, talk given at Cornell University, October 2000



Interview | interview
Giovanni Mimmo, Interview zu »HANDFEST - freiwillige Selbstkontrolle« im Januar 1985, Informationsblatt des 15. Forum des Jungen Films, Filmfestspiele Berlin, 1985


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