Michael Brynntrup's
sinnige Sentenzen | sententious senses

Tagebuchzitate | quotations from the diary

Interview deutsch | interview german

Interview englisch | interview english



x sinnige Sentenzen | sententious senses

»TABU V«
Das Remake einer vorvollendeten Vergangenheit,
- Partizip Perfekt als Gebot der Stunde.
{Informationsblatt zum Film, 1998ff}

Apokryphische Bilder aus dem Jenseits der Worte.
Das Jenseits der Worte - ein nanokryptischer Bilderbogen.
{Informationsblatt zum Film, 1998ff}

Der Tod ist kein Ereignis des Lebens. Den Tod erlebt man nicht. / Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt. / Unser Leben ist ebenso endlos, wie unser Gesichtsfeld grenzenlos ist.
(Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Satz 6.4311)

Death is not an event in life: we do not live to experience death. / If we take eternity to mean not infinitve temporal duration but timelessness, then eternal life belongs to those who live in the present. / Our life has no end in just the way in which our visual field has no limits.
(Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, Satz 6.4311, translation: D.F.Pears & B.F.McGuinness, 1961)


x Tagebuchzitate | quotations from the diary

Heute (in diesem Zusammenhang?) auch wieder die Idee auf den Tisch bekommen: »TABU V - Du sollst nicht töten«. Eine Fortsetzung des Tagebuchfilms mit Schwerpunkt auf Aidstest, meine Lover: wenn ich positiv wäre, würde ich's meinen Partnern erzählen?
{TB1469 .Tabu05, 25.12.90}

Heute auch einen ersten Dreh konkret in Richtung »Plötzlich«, - kann aber auch ins »TABU V« rutschen. Klar war von vornherein / lange anvisiert: ein Totentanz zu zweit (Ichgola und Jürgen Bald.), schließlich Lina + Skelett, dann ein Kampf zwischen beiden und jetzt (seit vorgestern:) die Geschichte von Kain und Abel - der Brudermord. Wieder gibt die Bibel ein 'Wunder' auf.
{TB1539f.Tabu05, 19.08.91}

»Handfest« bezeichne ich ja längst als mein künstlerische Manifest, meine (philosophische) 'Ästhetik'; »Die Statik der Eselsbrücken« als meine (philosophische) 'Metaphysik', auch Erkenntnistheorie. Nun = soeben = jetzt (zum ersten Mal) frage ich mich, ob ich nicht mit »Tabu I-IV« schon längst meine (philosophische) 'Ethik' geliefert habe? Nun sollte ja eigentlich der »Expositus« unter diesem Vorzeichen / unter dieser Bezeichnung laufen. Aber je mehr ich darüber nachdenke: TABU ist meine Ethik, ganz subjektiv gesehen: TABU beschäftigt sich mit den (guten) Sitten, ganz objektiv gesehen.
Was soll ich tun?
Was bleibt noch für »Expositus« zu tun?
{TB2178.Tabu07, 25.01.96}

Grenzen definieren heißt, sie zu überschreiten. Mit »Tabu V - Du sollst nicht töten« definiere ich das Leben zwischen möglicher Abtreibung und möglicher Sterbehilfe. Die 'Grenzen' des Lebens können nicht eindeutig bestimmt werden zwischen befruchteter Eizelle und Gehirntod !
{TB2332.Tabu07, 03.12.96}

(+3:40h) Am Abend kam Rainer, damit wir ab jetzt ganz locker an den Tagebuchfilm herangehen. Sehr relaxed der Abend. [...] Zum »Tabu V«-Film war ich recht frustriert! Er solle nur ein kurzes Glied zwischen den eigentliche Episoden sein, wo dem Zuschauer ein paar Themen mit auf den Weg gegeben würden, - ansonsten solle dieser Teil einfach auch nur schnell vorbei sein und nicht weiter irritieren. Jetzt allerdings sei der Teil noch viel zu lang (was sich kaum noch ändern könne) und zu 'verzettelt' (im wahrsten Sinne)... Wir beide haben dementsprechend auch noch keinen guten Zugang zum Film bekommen.
{TB2378.Tabu07, 04.03.97}

(+4:50h) Eine prima Sache!: Rainer war heute abend hier, brachte einen tollen Sound in seiner Groovebox mit, - und, das Großartigste: der Sound passte allerbestens zu den (inzwischen flottgeschnittenen) Bildern! - Erfolgserlebnis: gemeinsam: wunderbar. Anschließend bis jetzt auf ein Bier in die Ankerklause!!
{TB2380.Tabu07, 13.03.97}

(+6:25h) Wieso ist dieser Rattay immer wieder drin in meinen Filmen. Zum Märtyrer stilisiere ich ihn nicht, (obwohl mir bewußt ist, daß der politische Gegner die Verantwortung oder die Mitschuld an seinem Tod trägt). Ich denke, auch damals schon, als ich die Aufnahmen im »September, Wut« verwandt habe, war meine Interesse an dem Phänomen Rattay medialer Art (die Person hat mich nur in soweit interessiert, wie ich mich mit seiner 'Geschichte' parallel setzen konnte: neu nach Berlin und keine Perspektive im Kopf / vor Augen). Aber bei dem 'Phänomen' Rattay ging es um die 'Veröffentlichung' von extrem-existenziell-Persönlichem: sein Tod auf Film. Und damit reproduzierbar und damit banalisiert/banalisierbar. Dieses Phänomen hat mein (abstraktes) Verhältnis zum Tod und mein (konkretes) Verhältnis zu Bildern entscheidend geprägt.
Auf die Frage, warum ich mich mit dem Tod immer so stark beschäftige / wieso diese Todesthematik: dann antworte ich gerne (fast stereotyp), es gibt doch kein wesentlicheres / bedeutenderes Thema, - weil von dieser existentiellen Grenze aus definiert sich unser Bewußtsein. (Leider vermisse ich an mir die Auswirkungen dieses Gedankens auf mein praktisches Leben: sicher -geniesse den Tag / Carpe diem / ich tue das, was mir Freude macht-, aber die seelische Ruhe / die Ausgegeglichenheit, die mich meinen Mitmenschen näher bringt, die verspüre ich zwar, aber lebe ich nicht: angesichts des Todes!)
Habe das Gefühl, daß der »Tabu V«-Film von der Grundstimmung bedrückt: der Film ist nicht nur das Dokument einer gewissen Zeitspanne, sondern auch ein Jetztzeit-Zustandsbild!
{TB2505f.Tabu08, 12.12.97}

»Tabu V« geht nicht um Gott und die Welt / um Leben und Tod, -
»Tabu V« geht um Gott und Tod und viele Worte. Es geht um das Jenseits der Worte.
{TB2506.Tabu08, 13.12.97}

Erstens gibt es keine Geheimnisse und zweitens gibt es keine Wahrheit! (so deutlich bin ich selten...)
{TB2543f.Tabu08, 21.02.98}


x Interview deutsch | interview german

HS:
Der Versuch, Deine Arbeit in wenigen Sätzen zu definieren: was wäre der eine wesentliche Ausgangspunkt?
MB:
Ich mache persönliche Filme!, das kann man auf jeden Fall sagen. Natürlich liegt ein Quantum Persönlichkeit in jeder künstlerischen Äußerung, selbst in einer großen Hollywoodproduktion. Nur: der Hollywood-Regisseur geht nicht hin und sagt: 'das ist meine Macke' und: 'guckt mal hier: das ist meine Macke', während ich ja natürlich ganz deutlich hingehe und mit meinem eigenen Zeigefinger und mit meiner Hand -Kamera hier und da die Hand sozusagen- auf etwas zeige: 'das, das interessiert mich! - Ich!' Also Filme mache ich in diesem Stil: ganz persönlich, 'authentisch' kann man sagen. Das ist ganz entscheidend für meine Arbeit: persönlich definierbare, auf eine Person auch wieder zurückführbare Bilder zu schaffen.
(Interview von Herbert Schwarze am 04. 01.01,
ARTE, 'Kurz-Schluss', TV-Sendung vom 10.02.01)


TV - Interview | TV - interview
Herbert Schwarze, Interview Auszug zu »TABU-Filmen« am 04.01.01,
ARTE, 'Kurz-Schluss', TV-Sendung vom 10.02.01


SU:
Was wolltest du denn in den Tabufilmen erreichen?
MB:
Also die Aussage im »Tabufilm« ist nicht: was hat Michael Brynntrup am 12. Mai 1983 gemacht, sondern was ist Tagebuch, wo sind da Tabus, was ist durch das Medium Tagebuch schon vorgegeben? Was sind überhaupt die Bedingungen, ein Tagebuch zu schreiben, z.B. die Eigengesetzlichkeiten des Mediums. Und dann noch die Ebene, wenn man da jetzt einen Film macht, was ist das jetzt? Eine klare inhaltliche Aussage ist z.B., daß Zeit, je näher sie am aktuellen Zeitpunkt, am Jetzt dranliegt, auch umso chaotischer noch ist...
(Interview von Steff Ulbrich, 04.03.89 und 12.03.89, gedruckt in: BERLIN - Images in Progress, Buffalo, 1989)


Interview | interview
Steff Ulbrich, Interview mit MB, Auszug zu »TABU I-IV«, translated and printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Buffalo, 1989


OggiSicilia:
Ihre Arbeit ist wesentlich von einer Reflexion der Medien charakterisiert.
MB:
Ich bin interessiert am Diskurs zum Thema "Metafilm"; so versuche ich eine direkte Beziehung mit den Zuschauern aufzubauen, sie geistig miteinzubeziehen und anzusprechen, jenseits der filmischen Illusion. Und wenn ich dann z.B. selbst auftrete, mich konkret und quasi dokumentarisch ins Spiel bringe, auch dann geht es mir nur darum, zu hinterfragen, was überhaupt mit filmischen Mitteln gesagt werden kann, bzw. bewußt werden kann.
(OggiSicilia, "Interview mit dem vielseitigen Regisseur und berliner Experimentator Michael Brynntrup: Mythen, Fiktion und Travestie auf Video", 22.01.99 - Paola Nicita, deutsche Übersetzung: MB)


x Interview englisch | interview english

SU:
What has been your goal with your 'Tabufilme'?
MB:
The »Tabufilme« do not state: what did Michael Brynntrup do on the 12th of May, 1989. But they are about what a diary is: does it include taboos? What is already predetermined by the diary medium? What are the conditions for diary writing? Do autonomous functions exist in the medium? And then there is another level. If you're doing a movie on the subject, where does that get you? Regarding content, it is clear, for example, that time, as it gets closer to now, gets more and more chaotic...
(Interview by Steff Ulbrich, March 4th and 12th, 1989, printed in: BERLIN - Images in Progress, Buffalo, 1989)


Interview | interview
Steff Ulbrich, interview with MB, excerpt on »TABU I-IV«, printed in:
BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Buffalo, 1989



OggiSicilia:
Brynntrup, il suo lavoro è caratterizato essenzialmente da una riflessione sul mezzo...
MB:
"Sono interessato a un discorso sul 'metafilm', cerco di avere un rapporto diretto con gli spettatori, di coinvolgerli mentalmente, al di là dell'illusione cinematografica; quando recito inoltre, col porre me stesso sulla scena, mi metto in gioco e cerco di comprendere cosa è possibile dire".
(OggiSicilia, "Intervista con il poliedrico regista e sperimentatore berlinese Michael Brynntrup: Miti, finzione e travestitismo in video", 22.01.99 - Paola Nicita)

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