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Michael Brynntrup's
sinnige Sentenzen | sententious senses

Tagebuchzitate | quotations from the diary

Interview deutsch | interview german

Interview englisch | interview english



x sinnige Sentenzen | sententious senses

Wenn man nach dem Inhalt von Kunst fragt, sieht man in jeder Äußerung nur Rhetorik. Fragt man aber nach der Form von Kunst, so zeigen sich ganz erstaunliche Inhalte.
{Philm-Notizitat, ca.12.84}

Avantgarde gibt's immer nur retrospektiv, - ich lebe jetzt und mache Live-Filme.
{TB1067.Tabu04, 09.03.88}

Experimenteller Film ist eine Art Film im Film ohne den Film drumherum.
{Philm-Notizitat, ca.1990}

Ich erzähle keine Geschichten, sondern beschreibe ein Geschehen.
{TB1636.Tabu06, 25.02.92}

Ich gehöre zur Risikogruppe der Experimentalfilmer:
sendungsbewußt aber nicht sendefähig.
{TB2275.Tabu07, 27.09.96}

Dem Zuschauer nicht auf die Nerven gehen, sondern unter die Hirnhaut.
{TB2370.Tabu07, 10.02.97}

Was heißt 'unabhängiger Film'? = sich nicht am Markt orientieren !!
{TB2427.Tabu08, 10.06.97}

Ich packe den Zuschauer da, wo es schmerzt!
(fragt sich nur, ob er dort sensibel ist).
{TB2569.Tabu08, 13.05.98}

Ich mache Filme über mich selbst, damit man wieder den Film als solchen sieht.
{TB2624.Tabu08, 31.10.98}

In meinen Filmen bin ich der Hauptdarsteller, - ob ich nun zu sehen bin oder nicht.
So persönlich wie meine Filme sind, so abstrakt sind ihre Inhalte.
{Philm-Notizitat, 07.03.99}


x Tagebuchzitate | quotations from the diary

Meine Filme sind noch Analysen und Monologe, d.h. subjektive Bestandsaufnahmen, etwas positiver ausgedrückt: persönliche Momentaufnahmen. Das Paradox dabei: ich distanziere mich von dem tautologischen Gedankenkreis der Identitätsphilosophie aber mit Mitteln, die genau diesem Gedankenkreis einbefangen sind.
Jetzt will ich keine Anstrengung unternehmen, mich daraus ausdrücklich zu befreien - welche Illusion/Imagination, neue Mittel aus dem Gedanken-'kreis' ent-'springen' lassen zu können. - Jetzt lasse ich es aus mir wuchern, es wuchert schon.
{TB0669.Tabu03, 23.03.85}

Meine allgemeine Skepsis gegenüber Neuem / Genial-Schöpferischem: es erscheint mir zu willkürlich. Lieber lasse ich Altes / Traditionelles / Mythen und Muster mutieren. Das ist meine Neigung zu Dada und zum Surrealismus: die Weltsicht als Collage.
{TB0748f.Tabu03, 19.06.86}

Ich gebe keine Antworten auf konkrete Fragestellungen: das Lächeln der Mona Lisa reizt doch gerade deshalb, weil es unergründlich zu sein scheint, und wenn man meinen Filmen ansieht, wie ich grinse, dann ist das doch schon relativ deutlich.
{TB1473.Tabu05, 19.01.91}

(Kunst und Leben) Das Herz zerreißt, oder zerspringt vor Glück, - das ist Leben: momenthaft, augenblicklich, aktuell, live. In glücklichen Momenten, die auch die Kunst hat, kann sie vielleicht den Augenblick bannen, gefangennehmen, fixieren. Aber sie kann nicht -wie auch das Leben nicht- dem Moment Dauer verleihen.
{TB1785f.Tabu06, 07.09.93}

Das Medium wahrnehmbar machen ... heißt, die Privatsphäre definieren.
Jede Äußerung sagt: bis hierher; das Mehr an Inhalt wird immer vorenthalten. (Aber der Rezipient tut das Seinige dazu).
{TB1785f.Tabu06, 07.09.93}

Ich mag das Wort 'Symbol' nicht (nicht in Bezug zu meinen Filmen). Ein 'Symbol' steht immer für etwas anderes, meist ebenso konkretes, aber eben anders besser / treffender ausgedrücktes: das Meer für die Unendlichkeit, der Schlips für den Schwanz, oder das rote Kreuz für das Rote Kreuz. In meinen Filmen symbolisiere ich nicht und nichts; in meinen Filmen wird 'simsalabiert'; es werden Assoziationen angeregt, aber keine Bedeutungen festgekloppt. Ich versuche, mit nichts anderem als dem Film selbst und als Ganzem eine Atmosphäre zu schaffen, die einen Gedanken ermöglicht.
{TB1898.Tabu06, 16.09.94}

(Dichtung und Wahrheit) Wollen SIE wirklich, daß ICH Ihnen sage, was wahr ist und was falsch, was gut ist und was böse!?! Glauben SIE etwa an die Allmacht der Bilder!?!
Meine Filme definieren die Grenze zwischen Aberglaube und Aberwitz!
{TB2318ff.Tabu07, 17.11.96}

(Wirklichkeit): Sie müssen sich gar nicht mit mir beschäftigen, Sie können gleich bei sich selbst anfangen.
{TB2346.Tabu07, 23.12.96}

Bei meinen Filmen geht's darum, und das ist eigentlich Experimentalfilm oder künstlerischer Film: Form und Inhalt in Deckungsgleichheit zu bringen! Nicht das die Form zum Dienstboten der Illusion / der Erzählung verkommt oder -im anderen Extrem- die Form sich verselbstständigt zu einer abstrakten / inhaltsleeren Spielerei!
Was ich mit meinen Filmen mache: die Illusion ironisieren!
(lat.: illusio = Ironie, Verspottung, Täuschung).
{TB2376.Tabu07, 26.02.97}

Mir ist klar, daß meine Filme einzigartig sind, - aber wenn man bedenkt, daß jeder Mensch, selbst jede Blume und jedes Blatt auch einzigartig sind, dann ist das nichts Besonderes (daß meine Filme einzigartig sind!).
{TB2416.Tabu08, 18.05.97}


x Interview deutsch | interview german

TL:
Deine persönliche Geschichte wird ja sowieso gerne in Deinen Filmen thematisiert. Du thematisierst Dich selbst; Deine Person.
MB:
Klar. Ich versteh' ja mein Filmemachen sowieso eher als Teil der bildenden Kunst. Also im Gegensatz zum großen Kino, wo mit Illusionen gearbeitet wird, geht's mir in meinen Filmen um diese künstlerische Authentizität, und damit geht's natürlich immer um den Filmemacher selbst, um den Künstler hinter der Kamera.
(Interview von Tim Lienhard zum »LOVERFILM«, WDR3-Kulturscene, TV-Sendung vom 16.02.97)


TV - Interview | TV - interview
Tim Lienhard, Interview Auszug zum »LOVERFILM« am 07.02.97,
WDR 3 'KULTURSCENE', TV-Sendung vom 16.02.97


SU:
Wie entwickelst du die Ideen zu den Filmen?...
MB:
Grob gesagt kann man bei mir unterscheiden zwischen kleinen Bastelarbeiten, die mehr aus aktuellen Situationen entstehen und die ich spontan aufgreife. Dazu würde ich z.B. »Handfest« zählen, das ist ein Film, bei dem hat sich das Material angesammelt, war archiviert. Natürlich, wenn man spontan die Kamera zur Hand nimmt und alles filmt, was man wichtig oder interressant findet, stellt sich nach drei Jahren vielleicht ein Zusammenhang her zwischen einzelnen Motiven, die einen besonders interessiert haben. Dann paßt das eigentlich sehr gut, dann ist das ein in sich stimmiger Film. »TABU I-IV« ist ein ähnliches Beispiel.
Es gibt aber auch Sachen, die ich mehr konzeptionell angehe, vor allem episodenhafte Dinge, bruchstückhaft. Fragmentarisch vorzugehen ist, denke ich, für Super-8 sowieso angesagt, nicht dieses Drehbuchschreiben, drei Jahre einen Film vorbereiten und dann in 14 Tagen abdrehen. Man sammelt halt mit seiner handlichen Kamera sein Material zusammen, oder man geht eben einen Tag in die Welt hinaus und filmt, was man sich kurz vorher überlegt hat, konzipiert hat. Dann skizziert man eine kleine Geschichte, eine Episode, das kommt der Super-Acht entgegen. (...)
MB:
Die Arbeiten, die ich mache sind alle nicht eingängig und nur sympathlsch, wenn Leute meine Filme angucken, werden sie auch immer mit sich selbst konfrontiert, durch z.B. ein langes Ende, daß sie merken, der Film ist noch nicht vorbei und ich sitze auf einem harten Stuhl und mein Arsch tut mir weh. Ich ziehe sie aus der Illusion, die jeder Film aufbaut, und der Faszination. Ich versuche daran zu arbeiten, die Leute auf sich selbst zurückzuwerfen. Ich biete keine Identifikationsfiguren an, die Leute können sich nur noch mit sich selbst identifizieren. Letztlich geht s immer um das Publikum als persönliches Individuum, das sich mit sich selbst beschäftigen muß.
SU:
Du würdest deinem Pulikum empfehlen, sich besser mit sich selbst als mit deinen Filmen auseinanderzusetzen?
MB:
Nein. Nur denke ich mir, wenn meine Filme einen wirklich positiven Effekt haben, dann den, daß die Leute sich ganz bewußt mit sich selbst auseinandersetzen.
SU:
Du machst also keine Unterhaltungsfilme?
MB:
Also ich will nicht so Filme machen, die so glatt reingehen und irgendwie glatt vergessen werden, sondern die Mitarbeit erfordern. (...)
SU:
Du hast eben schon kurz auf den Manierismus angespielt.
MB:
Den Manierismus halte ich für die interressanteste Kunstepoche überhaupt. Interressant daran ist für mich die Abkehr vom Formalismus, vom Akademismus, die Abkehr von Weltanschauungen, die der Natur und der Wahrnehmung Gesetze überstülpen wollen. Z.B. ganz bildlich: die Zentralperspektive, dieser Zentralismus, der wird plötzlich ad absurdum geführt. Interessant ist, daß der Manierismus sich eigentlich definiert über das, was er ablehnt, also zunächst mal negativ. Aber was am Manierismus positiv zu Ausdruck kommt, ist eben der Bllck auf die Vielseitigkeit eines Menschen oder auf die Komplexität der Welt, was bei der Zentralperspektive eben ausgeblendet ist, alles hat seinen Platz unter diesem Gitternetz. Beim Manierismus werden die Proportionen frei gewichtet, und da kommt viel stärker der freie Geist zum Ausdruck, die Phantasie.
SU:
Wo kommt denn in deinen Filmen die Phantasie zum tragen?
MB:
Vor allem, so hoffe ich doch, in den Köpfen der Zuschauer...
(Interview with Michael Brynntrup, by Steff Ulbrich, printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Edited by Jürgen Brüning and Andreas Wildfang, Hallwalls / Buffalo, 1989)


x Interview englisch | interview english

"The idea of a film is more important to me than it's technical perfection", says Michael Brynntrup of his Super8-movies. "But I respond to the technical possibilities. I know, that Super8 is antique, but video is hollow. Motion pictures are the best means of expressing myself. They are alive. Painting ist dead and I don't want to end up in a museum". Brynntrup often performs the leading role in his movies, which deal with subjects such as death, handicaps, narcissism and experimental film itself.
(Andy Warhol's INTERVIEW, New York, September 1987 - Eva Steidel)


SU:
How do you develop the ideas for your films?...
MB:
In a broad sense my work may be considered as small pieces of handicraft which develop from actual situations. I pick them up spontaneously. »Handfest«, for example, belongs to those. That's a film where material had been accumulated, or archived. Of course, if you pick up a camera spontaneously and you film everything which you consider important or interesting, connections may arise between the single subjects after three years. Subjects you've been especially interested in. So that actually fits very well, it creates a film which makes sense by itself. »Tabu« is a similar example.
But there are other things which I approach in a more conceptual way, especially episodic things, fragmentary. To me Super8 favors a fragmentary procedure. It is not script-writing, it is not about preparing a film for three years and then shooting it in 14 days. You collect your material with your handy camera. Or you just walk into the world for a day to shoot things you've just thought of; something you've just conceived. Then you outline a small story, an episode, that fits into Super8. (...)
MB:
My work is never easy-going or purely sympathetic. Those who watch my movies always have to reflect on themselves as well... I drag them out of illusion, which every film creates, and out of fascination. I try to work on a structure which throws the people back to themselves. I don't offer figures of identification. The viewer can only identify with himself. Finally it's always about the audience being a single individual which has to deal with itself.
SU:
So you would recommend to your audience that it's better for them to deal with themselves than to deal with your movies?
MB:
No. But I do think that if there is any positive effect arising from my movies, then it is the idea that people become aware about dealing with themselves.
SU:
So you don't do entertaining movies.
MB:
Well, I don't want to do movies without edges, which will be forgotten in a minute, but films which require work while watching them. (...)
SU:
You just mentioned mannerism briefly.
MB:
I consider mannerism to be the most interesting epoch of art ever. Especially interesting is the rejection of formalism, the rejection of theories which tried to cover nature and vision by law. For example, the imagery: The central perspective, the centrality is suddenly led into absurdity. It is an interesting fact that mannerism has defined itself by what it rejected, which means it was first of all negative. But there is a positive expression in mannerism: its view of the diversity of man and of the world's complexity. This is something the central perspective had excluded, everything had its place in a pre-set structure. Mannerism weighs proportions freely and a free spirit can express itself in fantasy.
SU:
Where does fantasy come into play in your movies?
MB:
Well, first of all, I hope, in the viewer's head...
(Interview with Michael Brynntrup, by Steff Ulbrich, printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Edited by Jürgen Brüning and Andreas Wildfang, Hallwalls / Buffalo, 1989)


Interview | interview
Steff Ulbrich, "Death, Obsession + Cinema (part two)", interview with MB, March 1989, printed in: Independent Eye, N°11, Toronto, Spring 1990



BG:
You mentioned that you´ve been working in films since the early 80ies. How did you start, what were you doing and how did things change for you?
MB:
Actually I started with Super8 and I still love to do Super8. So I still continue shooting on Super8 but the technics are more developed now. First I screened in bars, independent cinemas or even open air and brought my Super8-projector to the show. After some years I started blow-up the edited Super8 to 16mm and did also shooting on 16mm. This opened the door to bigger festivals. Again some years later I started working with video and computer. I always liked to test and mix different medias. In my very first Super8 film there is already a sequence taken from a video surveillance camera for example, and my newest film »NY 'NY« there is quite a new development for me: shooting on Super8 then editing in a computer like modifying the image a bit and give it from the computer directly to 35mm. So these are the developments I did like in the technic sense. Let´s say I like to keep shooting on Super8 but I changed all the post production process. Now it´s like in the computer more or less and now I´m lucky because I nearly finished or better: I´m working on 2 CD-ROMs, interactive films, or say: non-linear films for interactive media. This is quite a new research for me. And it's fun.
BG:
Yeah, you´re getting involved in the technology now..
MB:
Yes I like that: testing and creating all different kinds of 'moving images'. Actually I could mention.. 'visit my website!'. It´s »www.brynntrup.de«, so please come and visit me. There are some 'filmic' ideas on too, some flash movies etc.
(Interview by Barbara Goslawski on CKLN-FM Radio at Ryerson University, Toronto, 05.11.99)


Radio - Interview | radio - interview
Barbara Goslawski, interview on »EXPOSITUS«,
CKLN-FM Radio at Ryerson University, Toronto, 05.11.99


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MB's PHILM SAMMELSURIUM | MB's Philm Skits, Sketches And Conceits