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Michael Brynntrup's
sinnige Sentenzen | sententious senses

Tagebuchzitate | quotations from the diary

Interview deutsch | interview german

Interview englisch | interview english



x sinnige Sentenzen | sententious senses

Ein Totenkopf ist äußerst pornographisch, hier sind auch die letzten Hüllen fallengelassen.
{TB1068f.Tabu04, 12.03.88}

Hiermit erklärt der Autor ausdrücklich und unwiderruflich, daß er sich bereits anderweitig gegen Atomtod und Todesstrafe ausgesprochen hat.
Die Totentänze handeln nicht vom Tod, - es geht um das Leben.
(Informationsblatt zum Totentanz-Zyklus, 1989)

The author hereby expressly and irrevocably declares that elsewhere he has already come out against atomic death and death penalty.
The Deathdances are not about death, - it's life that counts.
(Information sheet on the Cycle of Death Dances, 1989)

Der Tod ist tabu, ausgesondert in die begrenzte Zone Friedhof, genauso wie der Kranke am besten interniert gehört oder Homosexuelle als Randgruppe in der heterosexuell normierten Gesellschaft definiert werden.
(Informationsblatt zum »Plötzlich...: Der Elefant...«-Programm, 1993ff)


x Tagebuchzitate | quotations from the diary

Bonn, letzte Vorführung in der Region. Bei Jürgen Schmelzdahin genächtigt und geprächtigt. Kaum den Kuchenkaffee getrunken, haben wir ein paar Totenkopf-Miniaturen im Garten gefilmt. Alles sehr spaßig, eventuell mache ich dort auf dem Weg nach Brüssel ein zweitesmal Pause.
{TB0777.Tabu03, 28.10.86}

Große Freude, habe Antoine angerufen, wir sehen uns in Bonn. Er hat Glatze und ich nehme den Totenkopf mit ... also!
{TB0783.Tabu03, 03.12.86}

Außerdem schneide ich auch an der Totenkopf-Tournee, Arbeitstitel: »Der Elefant aus Elfenbein« und versuche hier meinen alten Wunsch 'Kopie von der Kopie', abfilmen vom Abfilmen einzuarbeiten. [...] Bemerkenswert meine derzeitige Tendenz zur Arbeit mit dem Filmmaterial, grobkörning, unscharf, dreckig, mit der Absicht, daß das projizierte Material greifbar wird, sensitiv, aber auch sich hinter einem Sfumato-Schleier dem Zugriff entzieht.
{TB0794f.Tabu03, 05.01.87}

Was hab ich bloß mit dem Totenkopf? Gerade eben mal wieder im Solo-Salon-Studio mit meinem ständigen Begleiter und der Multiplikator-Prismalinse gefilmt. Lange rede ich schon davon, die Winternächte für den Totenkopf-Film zu benutzen: gestern die Entwicklungsboxen von Stiletto geholt, nun geht's los!
{TB1013f.Tabu04, 11.12.87}

Ich bin stimmungsmäßig total abhängig von meiner Arbeit: zur Zeit sehr erfreut, weil eine Kleinigkeit beim Totenkopf-Film gelungen zu sein scheint (Überblendung...).
Überlege, den Totenkopf-Film in kleinen Episoden fertigzustellen; die Menge/Masse des Materials überfordert mich, da ich ja nicht vermeiden kann, auch noch an andere Filme zu denken. Außerdem erscheint mir der Totenkopf-Film vom Konzept her sowieso ein Fortsetzungsepos zu sein, ein episodisches Konzert eher als eine Symphonie.
{TB1025.Tabu04, 04.01.88}

Endlich hat meine Küche die Premiere als Dunkelkammer erlebt, der erste Film ist jetzt durchgezogen (noch nach dem alten Prinzip s/w-neg.). Morgen versuche ich mich in Orwo-Farbe, eine Totenkopf-Studie. Für den Totenkopf-Film generell überlege ich jetzt über Video auf 16mm zu gehen = die Londoner Lösung.
{TB1026.Tabu04, 06.01.88}

Noch ein paar Bemerkungen zum Elefanten-Alphabeth: Ein Totenkopf ist äußerst pornographisch, hier sind auch die letzten Hüllen fallengelassen. Zur vor-fertigen Episode 'C' (Antoine/Bonn): seine Aktion dortselbst ist mir spontan und vor Ort eingefallen, eben den Totenkopf im Wasser zu versenken, ihn vorher zu umarmen; jetzt erscheint mir die Episode wie Poesie um Abschied und Trennung, Trauer einerseits oder schlicht wie ein Begräbnis.
{TB1068f.Tabu04, 12.03.88}

Die Totentänze sind ein zaghafter Versuch, der manipulativen Kinoillusion doch noch einen Zauber abzugewinnen, - allerdings experimentell gebrochen.
{TB1194f.Tabu04, 25.04.88}

Heute mit Ichgola extrem schöne Aufnahmen zum Totenkopf-Zyklus gemacht. Mittags zum Schlachthof Spandau, Veterinärmediziner Dr. Franke hat mir freundlicherweise fünf Schweineaugen und vier Schlunde überlassen (eigentlich 'Konfiskate'), ich hatte mit mehr gerechnet und sogar eine kleine Wanne mitgenommen, dann noch einige Teile bei einem gewöhnlichen Metzger besorgt. [...] Auch mit der Aktion haben wir uns vom Drehort inspirieren lassen, zusammengefaßt: die groteske Gestalt schleicht durch's Schilf, findet den Totenkopf (Schweineaugen!), befummelt und beschnuppert ihn und trägt ihn zu seinem Baum, an dem schon einiges Fleisch und eine Kollektion ausgesuchter Ekligkeiten 'baum'elt. Die Gestalt hängt sich schließlich an einen Ast zum Schlaf.
{TB1241.Tabu04, 22.07.88}

Noch ein Wort zum gestrigen (Totenkopf-) Dreh mit Ichgola; beim Zusammenstellen der Ausstattung dachte sie an viele kleine Plastikvögelchen, die ganz kitschig auf dem Fleisch stecken sollten. Ich meinte aber -und das gilt grundsätzlich für die Totentänze-, daß ich lieber versuchen möchte, eine jeweils harmonische-insichgeschlossene Wirkung zu erzielen, die ungebrochen/unerbrochen im Bauch rumort; die Ironie/der Witz und das Banale solle erst im Rückblick auf den jeweils ganzen Totentanz bemerkt sein, daß die Zuschauer sich erst anschließend an den Kopf packen, und lachend und kopfschüttelnd äußern: Wie kann man nur so blöd sein / Was soll der ganze Scheiss?
{TB1242f.Tabu04, 23.07.88}

+1:45h, zwei weitere Filme durch die Suppe gesuppt, es geht um die Totenkopf - Valery - Aufnahmen, und dabei um den Mittelteil: sie tanzt im 'kleinen Saal' der Botschaft. Sie bewegt sich Bild für Bild/ruhig, doch die einzelnen Bilder sollen Flackern/vom Positiven ins Negative umschlagen; insgesamt wünsche ich mir eine brizlige Atmosphäre, nicht Fisch nicht Fleisch aber verwunderlich.
+2:45h Das Ergebnis ist so lala, ich muß mich erst noch mit dem Material anfreunden: möglich ein Zusammenschnitt mit dem Ausgangsmaterial?!?
{TB1284.Tabu04, 01.11.88}

Gestern abend meine Filmshow, 64 People = überdurchschnittlich gut für die {Chicago} filmmakers [...]. Jemand verglich die Filme mit Bunuels Surrealismus: er hätte immer versucht, jeden expliziten Symbolismus zu vermeiden / Ich habe darauf gemeint, daß ich Symbole zwar explizit als solche verwende, aber ihre offene Bedeutung benutze, eher als Untersuchung ihres Meta-gehaltes, z.B. nicht ihre Bedeutung in der Psychoanalyse, sondern ihre Bedeutung als solche. / Eine Frau hat ziemlich dumm gefragt, ob ich denn als Deutscher so hemmungslos mit einem Totenkopf spielen dürfte - ich hab's erst gar nicht glauben wollen, wie jemand so dumm fragen kann - und dann gegengefragt: Warum sie sich denn so zieren würde, sie meine doch 'Concentration Camp'. Dann solle sie es auch sagen! (das ist auch eine Form von Verdrängung: um den heißen Brei herumreden).
{TB1490f.Tabu05, 21.04.91}


x Interview deutsch | interview german

SU:
Ist der Totenkopf auch ein Symbol für dich?
MB:
Ein Symbol als Nicht-Symbol. Ein Symbol ist immer etwas ganz konkretes, ein rotes Kreuz zum Beispiel. Der Totenkopf steht z.B. für Gift, aber Hilfe! Ich sehe ihn nicht so einseitig als Nur-Symbol..., er ist für mich gerade deshalb interessant, weil er als Symbol von verschiedenen Seiten aufgeladen wird. ...die Sache Tod, das geht jeden an, jeder bemüht sich, den Tod in den Griff zu bekomen, wenn es sein muß als Ohrclip, aber die Beschäftigung damit ist flächendeckend und übergreifend. Ich benutze den Totenkopf ja nicht mit einer eindeutigen Aussage, ich gebrauche ihn mehr als Stimmungsanreiz, ich spiele damit. Er hat eben die schöne Doppeldeutigkeit von total ernst und garnicht ernstzunehmend. Da wird auf jeden Fall eine Emotion angesprochen, aber auch ein Rationalismus im gleichen Motiv.
(Interview mit Michael Brynntrup, von Steff Ulbrich, translated and printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Edited by Jürgen Brüning and Andreas Wildfang, Hallwalls / Buffalo, 1989)


Interview | interview
Steff Ulbrich, Interview mit MB, Auszug zu den »Totentänzen 1-8«, translated and printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Buffalo, 1989

x Interview englisch | interview english

SU:
Is the skull also a symhol for you?
MB:
It's a symbol as a non-symbol. A symbol is always something very concrete, like the Red Cross. A skull, for example, can mean poison, but wait! I don't regard it only as a symbol... To me the skull is especially interesting because its symbolic character is charged up by different parties. ...the subject of death. Everyone's involved, everyone tries to get hold of it, even if it is only as an earclip. But the preoccupation with death is extensive and comprehensive. I don't use the skull to make a precise statement, I use it to evoke an atmosphere, I play with it. It has this nice ambiguity ranging from dead-serious to not being serious at all. In any case it touches an emotion, but rationalism is also part of the motifs.
(Interview mit Michael Brynntrup, von Steff Ulbrich, translated and printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Edited by Jürgen Brüning and Andreas Wildfang, Hallwalls / Buffalo, 1989)


Interview | interview
Steff Ulbrich, interview with MB, excerpt on »Dances of Death«, printed in:
BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Buffalo, 1989



BG:
Thematically your films are really interesting. There are reoccuring themes but the most reoccuring theme of course is the theme of death.
MB:
Yes.
BG:
Yes, Michael. Where does that come from?
MB:
Yes, where does it end? That´s the question. ... I studied philosophy before I was filmmaker. And this is I guess an influence too. So okay, I´m catholic, catholics deal a lot with relics and so. But the main influence I guess is the abstract way coming out from philosophy or just by the thought 'Why are we? Why do we live?' 'What is this blue planet? Where are we?' These are the universal questions I'm always asking.
(Interview by Barbara Goslawski on CKLN-FM Radio at Ryerson University, Toronto, 05.11.99)


Radio - Interview | radio - interview
Barbara Goslawski, interview on »EXPOSITUS«,
CKLN-FM Radio at Ryerson University, Toronto, 05.11.99


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