Michael Brynntrup's
sinnige Sentenzen | sententious senses

Tagebuchzitate | quotations from the diary

Interview deutsch | interview german

Interview englisch | interview english



x sinnige Sentenzen | sententious senses

1959 als strammer Achtpfünder das Licht der Welt erblickt. Sohn eines Bergmanns. Seit 1979 in Berlin. Broterwerb als Koch / Barkeeper / Geliebter / Prostituierte / Gelegenheitsarbeiter. Seit 1980 die ersten Gehversuche in Richtung der schönen Künste: Lyrik / Musik / Film / Performance. 1984 lustvoller Erwerb einer Immunschwäche. Seit 1985 Autodidakt in der Kunst der Fotografie. Seit 1989 Vollends im Bilde oder besser: "Was Du heute kannst besorgen das verschiebe nicht auf morgen."
Jürgen Baldiga {Lebenslauf 1992}

Ben messo nei suoi quattro chili viene alla luce nel 1959. Figlio di un minatore. Dal 1979 a Berlino. Si guadagna da vivere come cuoco, barista, amante, prostituto, lavoratore occasionale. Al 1980 risalgono i primi tentativi nel mondo delle belle arti: lirica, musica, film, performance. 1984: gioiosa acquisizione di un'immunodeficienza. Dal 1985 autodidatta nel campo della fotografia. Dal 1989: "Ciò che puoi procurarti oggi non rimandarlo a domani".
(Jürgen Baldiga, Curriculum, 1992) (traduizione: LABORATORIO BERLINO, CD-ROM catalogo, Turin/Bologna, dicembre 1998)

Aide-mémoire [frz.; eigtl. "Gedächtnishilfe"], im diplomatischen Verkehr eine formlose Notiz oder knappe schriftliche Zusammenfassung eines Sachverhalts oder einer Auffassung.


x Tagebuchzitate | quotations from the diary

Heute war ich Jürgen (Baldiga) im Krankenhaus besuchen, - wirklich deprimierend, wie entkräftet er ist. Es scheint, als habe ihn die Lust, zu leben, verlassen: er fragt sich, ob sich all die Schmerzen der letzten Jahre überhaupt gelohnt haben. Er läßt sich überhaupt nicht mehr aufmuntern (und ich bin auch nicht der Typ, der das überhaupt könnte). Auch glaubt er nicht, daß er nochmal anfängt, zu fotografieren. Ich meinte, das sei aber schlimm, denn so wie bei mir 'Film', so sei doch bei ihm 'Fotografie' das eigentlich Lebenselexier. Er sei doch ein Stehaufmännchen. / Irgendwann sei halt der Saft raus. (Echt Scheiße!!)
(obwohl ich meine Videokamera dabeihatte - und wir diese Aufnahmen im Krankenhaus auch schon lange machen wollten; hatte ich gar keine Lust, ihn zu filmen. Das Elend war wirklich zu groß und ich hatte das Gefühl, daß in diesen Momenten das Leben wichtiger sei, als tote Bilder zu machen, v.a. hatte ich das Gefühl, ihm etwas zu nehmen, was ich ihm nicht mehr zurückgeben kann = ihm zeigen kann, weil er schon quasi sein Leben abgeschlossen hat ... vielleicht muß ich mich doch nochmal überwinden.)
{TB1805.Tabu06, 30.10.93}

Das Bild geht mir nicht mehr aus dem Kopf: Jürgen, das Gesicht. Jürgen hat seinen Körper verlassen, und eine eingefaIlene Puppe ist... Ach, Worte sagen da nichts!
Das 'Bild' (und keine Metapher) hab ich auf Video und Super8 aufgenommen, aber das Bild habe ich auch so ganz präsent vor Augen (die Aufnahmen habe ich mir noch nicht einmal angeschaut... mir fehlt auch etwas der Mut!).
Was ich aber sagen wollte: der tote Körper, so wie ich ihn heute morgen gesehen habe, hat nichts mehr mit Jürgen zu tun!
{TB1820.Tabu06, 14.12.93}

That picture stays in my mind: Jürgen's face. He'd left his body, and now this broken puppy... But no words could express! I recorded this picture, not a metaphor, with Super8 and video camera. But the picture, not the recording, stays with me now. (I never saw the recordings, I didn't have the courage to watch it.)
What I'm saying here is, the dead body, the way I saw it this morning, has nothing to do with Jürgen. (Michael Brynntrup's diary, December 14, 1993).
(printed and translated by transmediale, catalogue 1996)

L'immagine non mi si toglie dalla mente: Jürgen, il suo volto. Jürgen ha abbandonato il suo corpo e un pupazzo smunto è... Ah, le parole non significano niente! L'immagine (e non una metafora) l'ho registrata su video e in super 8, ma l'immagine ce l'ho anche assolutamente presente di fronte agli occhi (le registrazioni non le ho guardate ancora neppure una volta... mi manca anche il coraggio). Quello che volevo dire però era: il corpo morto, così come l'ho visto stamattina, non ha più nulla a che fare con Jürgen!
(Michael Brynntrup, Diario 14/12/1993) (traduizione: LABORATORIO BERLINO, CD-ROM catalogo, Turin/Bologna, dicembre 1998)


x Interview deutsch | interview german

BF:
Das letzte, was mir in Erinnerung ist, ist, daß er gesagt hat: "...mehr hinterlassen als ein paar Kratzer" und das andere, was mir sofort einfällt, ist: "Mit seinen Fotos wollte er die Menschen noch einmal in ihrer Würde und ihrer Lebendigkeit zeigen." Ich glaube, das wollten Sie auch. Ist das so?
MB:
Ja, das ist schon ganz richtig. Ich wollte den Jürgen in seiner Lebendigkeit noch mal aufleben lassen. Jürgen war ein guter Freund von mir, ist schon Ende 1993 gestorben, und es hat für mich selbst auch 2 Jahre gedauert bis ich soweit war, dieses Material, daß sich über 3 Jahre angesammelt hatte, überhaupt in eine Fassung zu bringen, die mir recht war, die ihm hoffentlich einigermaßen adäquat war...
(Diskussion zu »Aide Mémoire«, Moderation: Barbara Frankenstein,
3.Dokfilmwerkstatt Poel, 20.09.95)


Gesprächsprotokoll | discussion
Moderation: Barbara Frankenstein, Diskussion zu »Aide Mémoire«, 3. Dokfilmwerkstatt Poel am 20.09.95, veröffentlicht in: "Poeler Gespräche", Landesfilmzentrum M/V 1996


AG:
Ich hatte den Eindruck, daß die erste Hälfte nicht inszeniert ist, und daß dann, als du als Leierkastenmann auftrittst, so eine Art von Inszenierung einsetzt.
MB:
Es ist ja ganz interessant, sich als Zuschauer die Frage zu stellen, was bei einem Dokumentarfilm inszeniert ist und was nicht. Beim ersten Interview, wir waren zum Kaffee trinken verabredet, hatte ich meine HI8-Kamera dabei, da haben wir so eine Art Vorgespräch geführt. Beim Interview zwei Jahre später sind wir dann schon mit zwei Kameras hingegangen, haben Licht aufgebaut, das war dann schon viel inszenierter, obwohl der Gesprächsablauf nicht festgelegt war. Das hat sich dann bei laufender Kamera thematisch entwickelt...
(Anke Gebert befragt Michael Brynntrup zu »Aide Mémoire«,
3. Dokfilmwerkstatt Poel, 21.09.95)


Interview | interview
Anke Gebert, Interview zu »Aide Mémoire«, 3. Dokfilmwerkstatt Poel am 21.09.95,
veröffentlicht in: "Poeler Gespräche", Landesfilmzentrum M/V 1996


KE:
Dieser neue Film erzählt die Geschichte einer Beziehung von Ihnen zu einem Fotografen, Jürgen Baldiga. Er ist inzwischen an Aids gestorben. Ich wüßte erstmal ganz gern: Wie ist dieser Film entstanden?...
MB:
Ja, angefangen hat der Film eigentlich damit, daß wir gewisse Themen, die so um Tod, Sterblichkeit, Aids, Fotografie und Film kreisten, daß wir darüber sowieso schon viel geredet haben...
(Interview von Knut Elstermann, ORB Filmjournal, Sendung vom 10.02.96)


Radio - Interview | radio - interview
Knut Elstermann, Interview Auszug zu »Aide Mémoire«,
ORB 'FILMJOURNAL', Radio-Sendung vom 10.02.96

x Interview englisch | interview english

"The idea of a film is more important to me than it's technical perfection", says Michael Brynntrup of his Super8-movies. "But I respond to the technical possibilities... Motion pictures are the best means of expressing myself. They are alive. Painting ist dead and I don't want to end up in a museum".
(Andy Warhol's INTERVIEW, New York, September 1987 - Eva Steidel)


BG:
With the films, there is a lot that goes on in the films. There seems to be a lot of different tendencies that you have, a lot of different styles. Sometimes it's really rooted in found footage and often with a lot of humor, a lot of irony. Other films that are a lot more metaphorical, a lot more narrative based. So you seem to have a lot of tendencies that, a lot of things that you wanna to explore in different ways. So can you talk a little about that?
MB:
First of all: all of these themes are very personal. Sometimes very directly like: 'read my diary', - I made these Tabu-films about my diary. Sometimes I have -let's say- 'visions', images in my 'brain', - then I often construct a story, a little narrative around them. Or friends of mine inspiring me. I know their stories or ideas or crasy minds, and then I ask "Please tell the story for us, for this film"... That´s actually the background of the documentary we see tonight: »Aide Mémoire«. It´s a 'gay document for remembering', an interview film with a friend, Jürgen Baldiga. Actually he died on AIDS in 93 but we had this idea to make a film about him. He was photographer. That was another interest we had in common, so we spoke about photography and film. That´s my only 'so styled' documentary film but in a way all of these films are a kind of documentary so let's say my »Loverfilm« too.
(Interview by Barbara Goslawski on CKLN-FM Radio at Ryerson University, Toronto, 05.11.99)


Radio - Interview | radio - interview
Barbara Goslawski, interview on »EXPOSITUS«,
CKLN-FM Radio at Ryerson University, Toronto, 05.11.99


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