Pressestimmen | reviews and articles

Stilistisch sehr gegensätzlich ist der gleichfalls neue »Totentanz 8« mit Valerie Caris-Ruhnke. Statt der Flut immer neuer, immer sich ändernder Einstellungen, finden sich hier langsame, ruhige Szenen. Der Film wartet mit verfremdeten und wirklich schönen Bildern auf, die trotz des schaurigen Inhalts leicht und spielerisch erscheinen. Hier ist die Angst unterschwellig vorhanden; man weiß sie, ohne daß sie konkret auftaucht. »Totentanz 8« ist technisch ausgefeilt und -nicht zuletzt dank der hervorragenden Musik von Frieder Butzmann- atmosphärisch sehr dicht. Typisch für Brynntrup ist auch hier das Groteske, die Verfremdung; der Tod -hier auftauchend als Symbol des Totenkopfes- erscheint als ängstigender Geliebter. Brynntrup dazu: "Den Totenkopf sehe ich nicht so sehr als schaurigen Effekt oder als Symbol, sondern auch als Witz, als spielerisches Element."
(Siegessäule, 3/89 - Bernhard Beutler)

In »Die Botschaft« (10 min. / 1989 / Musik: Frieder Butzmann) wirft Valerie Caris-Ruhnke in einem ausgestorbenen verfallenden düsteren Gebäude mit weichen Daunenfedern aus einem Füllhorn-Käfig um sich. Die lebendig-kraftvollen blendenden (Brynntrup arbeitet hier mit Solarisation) Bewegungen verlieren sich in der unbeweglichen Stille des toten Gebäudes. Schließlich läßt die Kraft nach, die Bewegungen erlahmen. Sie läßt sich in einem Fensterrahmen nieder, den Käfig mit den Daunenfedern zwischen sich und dem Totenschädel. Das Ende ist die erotische Berührung, der Zungenkuß mit dem Tod.
(die tageszeitung, 16.03.89 - Michael Vahlsing)

Sein zweiter Film »Die Botschaft« aus der Reihe »Der Elefant aus Elfenbein«, acht Totentanzfilme, feiert die Sinnlichkeit des Morbiden auf abenteuerliche Weise. Eine üppige Schönheit mit symbolischem Gesicht veranstaltet in leeren klassizistischen Hallen ein pathetisches Federnstreuen. Aus einem Vogelbauer holt sie immer neue Schneeflocken und befreit gleichsam den Tod des Vogels. Schließlich sitzt sie im Fenster, neben ihr zu aller Kahlheit der Umgebung Skelettschädel, sie nimmt ihn in die Hand, es reißt sie hin, und seine noch steckenden Zähne werden mit ausführlichen Zungenküssen bedacht. Auch wenn die Szenen fotografisch nicht schlecht sind, gut solarisierte Passagen etc..., Frauen sind nicht mit jeder männlichen Erscheinungsform zufrieden, eine lange Mythos-Kette, das Mädchen und der Tod, es reicht.
(die tageszeitung, 04.09.89 - Sophia Ferdinand)

Diese Arbeitsweise der einheitlichen bildlichen Gestaltung greift er in den Episoden der »TOTENTÄNZE 1-8« wieder auf, in denen der Totenschädel unterschiedliche 'Partnerschaften' mit Männern und Frauen eingeht. Ich habe bisher nur einen der acht Filme gesehen (-»Die Botschaft«-). Ein poetischer Film, der in der Schönheit der Bilder an die rauschhaften Filme des 'New American Cinema' der frühen 60er Jahre erinnert.
(Journal Film, 1/91 - Birgit Hein)

Sein »JESUS-FILM« (1985/86), »DIE BOTSCHAFT« (1989) oder »MODERN, das« (1991) spielen mit der Bildästhetik der Malerei von der Renaissance bis zum Eklektizismus des 19. Jahrhunderts. [...] Mit Ironie und belebender Unernsthaftigkeit unterminiert Brynntrup additive Strukturen und Paraphrasen auf kunsthistorische Muster. [...] Der Aspekt der nuda veritas tangiert Brynntrups Existenz, nämlich des schwulen, katholisch erzogenen Experimentalfilmers, grundsätzlich. Stil und Arbeitsprogramm benennen unterschwellig sein Agieren als gesellschaftlicher Rollenträger bzw. seine Obsession, in Zeit und Vergänglichkeit auszusteigen aus Klischees und zwanghafter Bestimmung. Die Todesbezüglichkeit nähert sich so dem Gedanken an einen offenen, freien Erlebnishorizont.
(Katalog zur Cineprobe Film Exhibition im Museum of Modern Art, New York - Berlin, April 1992 - Christoph Tannert)

His »JESUSFILM« (1985/86), »DIE BOTSCHAFT« (1989) or »MODERN, DAS« (1991) play with the visual aesthetics of painting from the Renaissance to 19th century eclecticism. [...] With irony and a refreshing lack of earnestness Brynntrup undermines both additive structures and paraphrases on patterns in art history. [...] Apart from the structural correspondences and contemplations, the film aims at an inquiry into the common allegory of the Naked Truth (in the character Narcissus). This aspect of the 'nuda veritas' is categorically tangent to Brynntrup's existance - namely that of a gay, Catholic-raised experimental filmmaker. Style and working method subliminally mark his part in the social role play and his obsession to free himself from cliches and compulsive destiny in time and ephemerality. The reference to death nears itself to the idea of open and free horizons.
(catalogue on the Cineprobe at MoMA, New York - Berlin, April 1992 - Christoph Tannert, translated by Constance Hanna)

"Ist das Effekthascherei oder innerer Drang?" fragt eine Besucherin nach der Vorführung des Streifens »Die Botschaft«, in dem Hauptdarstellerin Valerie Caris einen Totenkopf küßt. Brynntrup zeigt sich etwas irritiert: "Meine Filme kommen einfach, ich will nicht schockieren."
Das Todes-Thema, das sich durch seine Filme zieht, findet er wichtig: "Es wird zuwenig darüber nach gedacht. Ich selbst nehm' das Leben leichter, wenn ich merk': Was soll's?"
(Stuttgarter Zeitung, Stuttgart, 13.01.93 - Ulrich Bauer)

Eine Frau sieht einen Totenschädel. Sie nimmt den wie breit grinsenden Schädel mit Anmut hoch, blickt ihm tief in die nicht mehr vorhandenen Augen und taucht sinnlich ihre Zunge in das Kieferloch. Zungenküsse mit einem Totenschädel: Das läßt fast keinen Zuschauer kalt. Wie hier berührt der Filmemacher Michael Brynntrup auch in anderen Filmsequenzen Tabus, geht über die Grenzen des 'guten Geschmacks' oder auch dessen, was man erwartet, hinaus. [...]
Nicht so kopflastig, sondern ganz auf das Gefühl gerichtet dann der zweite Film, einer von mehreren »Totentänzen«. Mit rhythmischer Musik unterlegt und ganz ohne Worte läßt er Darsteller, Totenschädel und rotes Tuch miteinander kommunizieren. Auch wenn in dem Film »Die Botschaft - Totentanz 8« es wieder um den Dialog zwischen Mensch und Totenschädel geht und auch hier auf Worte verzichtet wird, ist dieser doch viel erzählender, weniger abstrakt. Eine Frau geht durch ein Gemäuer, wirft schwungvoll Federn aus einem Vogelkäfig und 'tauscht' dann mit dem Totenkopf Zungenküsse aus.
(Badische Zeitung, Freiburg, ?.01.93 - Sibylle Kemna)

Totentanz 8 returns to the figure of a young woman, perhaps the young girl from the very first film grown older. She climbs a V-necked stairwell, lighting on a birdcage stuffed with bird feathers before flinging them into an open courtyard. She appears again in an immense, emptied warehouse space, the image now rephotographed and solarized. She begins to dance through this fantastical silvery sheen, this veil of abandon. She recalls for us that death is also a place for celebration. Her frenzy spent, she rests in a large window opposite the skull, continuing to cast feathers. She takes up the skull and kisses it long and longingly with her tongue. Hers is a final embrace and acceptance, an eroticization of death, a romantic fury. In the end, in the film's sumptuous closing image, she casts feathers out the window in a storm of solarization, the light pouring through its aperture in a silver storm which suggests another world waiting beyond.
(Millenium Film Journal No. 30/31, Fall 1997 - Mike Hoolboom)

Totentanz 8 geht zur Abbildung einer jungen Frau, möglicherweise des jungen Mädchens vom allerersten Film zurück, der älter gewachsen wird. Sie klettert ein V-v-necked stairwell und beleuchtet auf einem birdcage, das mit Vogelfedern angefüllt wird, bevor sie sie in einen geöffneten Hof schleudert. Sie erscheint wieder in einem unermeßlichen, geleerten Lagerplatz, rephotographed das Bild jetzt und solarized. Sie fängt an, durch diesen fantastical silbrigen Schein, dieser Schleier zu tanzen des Ungezwungenheit. Sie ruft für uns wieder auf, daß Tod auch ein Platz für Feier ist. Ihr Frenzy, der aufgewendet wird, steht sie in einem großen Window gegenüber von dem Skull still und fährt fort, Federn zu werfen. Sie nimmt den Skull auf und küßt es lang und longingly mit ihrer Zunge. Ihre ist eine Endrunde umfassen und Abnahme, ein eroticization des Todes, ein romantischer Fury. Im Ende im kostspielig schließenden Bild des Filmes, wirft sie Federn aus dem Window in einem Sturm von solarization, das Licht, das durch seine Blendenöffnung in einem silbernen Sturm gießt, der eine andere Welt vorschlägt, die jenseits wartet.
(Millenium Film Journal No. 30/31, Fall 1997 - Mikrophon Hoolboom)
{Übersetzung durch http://babelfish.altavista.com/cgi-bin/translate?}

Von sexuellen Phantasien, fiebrigen Zuständen und Erscheinungen handelt das zweite Kurzfilmprogramm. [...] Das in der Ruine der italienischen Botschaft gefilmte Bild einer Frau, die einen Totenkopf küsst, ist emblematisch für die Faszination von Lust und Vergänglichkeit in DIE BOTSCHAFT (TOTENTANZ) (1989) von Michael Brynntrup, einem der produktivsten experimentellen Filmemacher Berlins.
(Programmtext "Wer sagt denn, dass Beton nicht brennt, hast Du's probiert? - West-Berlin 80er Jahre", Kino arsenal, Berlin, 10/11 2006 - Florian Wüst)

The elephant made of ivory is a cycle of eight dances of death in which one performance artist is interacting with a skull. A young woman climbs up the stairs, opens a bird cage filled with feathers and lets the feathers fly into the backyard. She starts to dance inside of a vast, empty, silvery shining warehouse. There is a notion of alienation within these images since the film material has been manipulated. The artist takes a rest at the open window, spreads the feathers, while a skull is facing her – she kisses it long and intensely.
(www.berlinartfilmfestival.de/2016 - Toby Ashraf)

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Pressestimmen | reviews and articles
DER ELEFANT AUS ELFENBEIN (Totentänze 1-8) | THE IVORY ELEPHANT (Death Dances 1-8)
monografischer Artikel | monographic review
Mike Hoolboom, "The Death Dances of Michael Brynntrup", printed in:
Millenium Film Journal N°30/31: Deutschland / Interviews, New York, Fall 1997


Pressestimmen | reviews and articles
PLÖTZLICH UND UNERWARTET: DER ELEFANT AUS ELFENBEIN | SUDDEN AND UNEXPECTED: THE IVORY ELEPHANT
Pressestimmen | reviews and articles
PLÖTZLICH UND UNERWARTET - eine Déjà-Revue | SUDDEN AND UNEXPECTED - A Déjà-Revue


Interview | interview
Steff Ulbrich, interview with MB, excerpt on »Dances of Death«, printed in:
BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Buffalo, 1989

Interview | interview
Steff Ulbrich, Interview mit MB, Auszug zu den »Totentänzen 1-8«, translated and printed in: BERLIN - Images in Progress, Contemporary Berlin Filmmaking, Buffalo, 1989
Interview | interview
Mike Hoolboom "Death, Obsession + Cinema (part one)", interview on »Death Dances«,
Independent Eye, N°11, Toronto, Spring 1990