.




Pressestimmen | reviews and articles

'Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen',
von Bärbel Jäschke im RIAS-KIRCHENFUNK


(Moderator:) ...über ein kirchliches Ereignis und es wird vielleicht umso kräftiger bei manchen den Eindruck erwecken, daß es hier ausschließlich um Diesseitiges und Vorletztes gehe - mehr Beirrung als Hilfe. Bärbel Jäschke erzählt von einem Film:

(Bärbel Jäschke:) "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder des, was oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist." (2. Mose, 20,4) Dieses Wort bedachte Michael Brynntrup, geboren 1959 in Münster, ehemaliger Messdiener, Kunst- und Philosophiestudent und seit 1981 Filmemacher. Er bewegte es in seinem Herzen und sah, daß sich im christlichen Abendland kaum jemand an dieses Gebot hält. Er betrachtete die prächtigen Bildnisse in den Gotteshäusern, erlebte klerikale Rituale als Gleichnisse, erblickte Reliquien, Inszenierungen, Hierarchien, die Suche und Sehnsucht nach dem ganz Anderen behinderten. Monumentalfilme konsumierte er, die sich auf die Bibel als impulsgebendes Drehbuch bezogen und vorgaben, die historische Wahrheit zu zeigen und Ungläubige zum Glauben zu bekehren: »The greatest story ever told«, »The king of kings«, »Ben Hur«, »Quo vadis«, »Die zehn Gebote«. Auch sah er kritische und persiflierende wie »Gegrüsset seist du, Maria!« und »Das Leben des Brian«.

In einer verzweifelt schlaflosen Nacht dachte der Jungfilmer Michael Brynntrup an die Bedeutung seines Vornamens ('Wer ist wie Gott?') und es überfiel ihn der heiße Wunsch, eine filmische Inszenierung der wirklichen und gefilmten Inszenierungen Gottes auf Erden zu inszenieren, eine maschinengewehrschnelle Abfolge verwirrender, einander auslöschender, miteinander im Widerstreit liegender Bilder, Gleichnisbehauptungen, Wortfolgen, musikalischer Kompositionen, den Kopf in den Zustand eines weißrauschenden Fernsehapparates versetzende Assoziationspartikel, auf daß die Suche und die Sehnsucht nach dem ganz Anderen innerhalb und jenseits der herrschenden Inszenierungen wachsen möge.

Zwei mal zwölf Freundesgruppen aus der Super-Acht-Film-Szene bat er um Mitarbeit bei einen 'Monumentalfilm über den Lebens- und Leidensweg unseres Herrn Jesus Christus'. Von der 'Unbefleckten Empfängnis' bis zur 'Kreuzigung' und weiter über die 'Himmelfahrt' bis zum Thronen an der Seite Gottes und vielleicht wie man's besser machen könnte. Und es fühlten sich große und kleine Vögel animiert, einen 140-minütigen Super8 und l6mm-Blow-up gemischten 35teiligen Episodenfilm zu produzieren und damit beim 16. Internationolen Forum des Jungen Films Berlin 1986 für heftige Diskussionen zu sorgen. Hinter den schillernden Namen, die im monumentalfilmpersiflierenden Vorspann zu lesen sind (statt des MGM-Löwen brüllt ein Baby) verbergen sich Kandidaten für den Cecil B. DeMille-Preis: Anarchistische Gummizelle, Die Tödliche Doris, intershop gemeinschaft wiggert, padeluun, Schmelzdahin, Sputnik-Kino, Stiletto, Teufelsberg-Produktion, VEB Brigade Zeitgewinn und viele, viele mehr. "Am Anfang war das Wort" lesen buchstabierend unsichere Mädchenstimmen zum Totaldunkel auf der Leinwand. Im ersten Vorfilmbild schreiten zwei Vertreter von Kirche und Militär ein Freitreppe hinunter, Assoziationen zu Eisensteins »Panzerkreuzer Potemkin« weckend. Zum jubelnden 'Gloria in exelsis Deo' zünden sie ein Feuerwerk an, das wiederum ein Kreuz in Brand setzt und eine Schneelandschaft beleuchtet. - Drei Könige 'im Abendland tappen im Dunkeln', drei Könige aus dem 'Mohrenland' finden das Kind im Schweinestall und den erwachsenen 'Zwillingsbruder' Michael Brynntrup dazu. - Maria und Josef machen sich auf 'zum Touristenfest in Jerusalem'. - Ein Wüstentourist entdeckt den fastenden Jesus in der Zeit der Versuchung, bietet ihm saftigen Braten auf einem Hotelteller an und schleppt der Ablehnenden mit sich in die große sündige Stadt. Beobachtet und kommentiert wird die Episode von den Propheten als Walky-Talky-Männer. - Die Bergpredigt findet im Berliner Olympiastadion statt, ein Unterhaltungsmanager drängt Jesus zur Eile und kontrolliert nörgelnd, ob er seinen Text kann. - Jesus Michael Brynntrup besucht Gott-Vater auf Erden, d.h. in Rom auf dem Petersdom: Original-Ton Papst: "Laßt Euch von niemandem auf keine Weise täuschen!"

Das Finale 'Im Himmel' findet in einem Gotteshaus statt, Gott Vater, Teufel, Engel, Christus , präsentieren sich als Verwandlungskünstler mit Rauschebärten und Allongeperücken und treiben mit den Zuschauern, die sie unterscheiden und identifizieren wollen, ein fröhliches Verwirrspiel. Geschriebener Text: "Jesus, Du wirst leben in Ewigkeit Amen!" Letztes Bild: Nebel, Nebel, Wolken, Wolken.

(Moderator:) Erbaulich in dem üblichen Sinn ist das also ganz offenbar nicht. Von Gotteslästerung wollen wir an dieser Stelle nicht reden, dieses Wort wird ja doch nie um Gottes Willen bemüht, sondern allemal weil schöne Gefühle von Menschen in Gefahr gebracht werden. Das werden die Christen schon manchmal aushalten müssen, - der, auf den sie sich berufen, hat noch viel mehr auszuhalten gehabt.

Was steckt in den vielen Bildern, die Menschen sich machen?: Fragen sicherlich immer wieder. Neugier an einem Geschichtenstoff, der unerschöpflich zu sein scheint. Und Übermut?, jo freilich, das wohl gelegentlich auch.

Der junge Filmemacher Michael Brynntrup findet selbst, man müßte über entstehende Fragen mal reden und er bietet seinen Film Kirchengemeinden und kirchlichen Gruppen zur Vorführung an. Dem Ergebnis völliger Diskussionen soll und kann hier nicht vorgegriffen werden. Eine Telefonnummer, sagen wir, für Interessenten 123456789 in Westberlin, 030.

(RIAS 1 'KIRCHENFUNK', Radio-Sendung vom 11.07.1986 - Bärbel Jäschke)

.

monografischer Artikel | monographic review
Eraserhead: "Monument im Kleinformat - Ein sicherer Kandidat für den Cecil B. DeMille-Preis", berlinale-tip Nr.1/86, Berlin, Februar 1986

monografischer Artikel | monographic review
Wiglaf Droste: "Jesus klebt!", die tageszeitung, Berlin, 15.02.86

monografischer Artikel | monographic review
Bernd Kegel: "Der Toaster und das Abendmahl", Bielefelder Stadtblatt, 10.07.86

monografischer Artikel | monographic review
Alexandra Jacobsen: "Das Neue Testament als Super8-Monumentalfilm"
Neue Westfälische Bielefeld, 11.07.86

monografischer Artikel | monographic review
tom: "Mysteriöses Mysterium", Nürnberger Zeitung, 31.07.86

monografischer Artikel | monographic review
Wolfgang Luck: "Jesus lebt!", Communale Heidelberg, 13.11.86

monografischer Artikel | monographic review
Peter Keough: "»Jesus: Der Film« is silly, sublime", CHICAGO SUN-TIMES, May 22, 87

monografischer Artikel | monographic review
Andreas Wildfang, "Jesus pre Digitales", ARTS in Buffalo, vol 1 N°24, 15.12.88

monografischer Artikel | monographic review
Gero von Goell: "Jesus - der Film", Babsies Diktatur, Ausgabe 13, Januar 2004

monografischer Artikel | monographic review
Silvia Hallensleben, "Missionieren im Super-8-Format", die tageszeitung, 04.09.2014

Radio - Besprechung | radio - review
Adolf Stock: "Jesus - der Film, Super-8-Film mit Kreuzigung als Splatter-Episode"
Deutschlandradio Kultur 'Religionen', Radio-Sendung vom 21.12.2014

monografischer Artikel | monographic review
Laila Oudray, "Jesus – Der Film | Restauriert und digitalisiert", screen/read - webzine für Film & Kino, 30.12.2014

monografischer Artikel | monographic review
Martin Ostermann, "Totgesagte leben länger", FILM-DIENST, Nr.9/2015, Mai 2015



JESUS-BIBLIO | JESUS BIBLIO
Bibliographie zu »Jesus - der Film« | bibliography on »Jesus - The Film«


Pressestimmen - deutsch | reviews and articles - german

Pressestimmen - englisch | reviews and articles - english